1997 – 1998
1136 wurde das Kloster Kleinmaraizell gegründet. Die Türken zerstörten 1529 die mittelalterlichen Bauten. Erst mit dem 18. Jahrhundert blühte das Kloster auf und es entstand eine große barocke Anlage mit der Kirche als Mittelpunkt. 1782 wurde das Kloster aufgelöst, im 19. Jahrhundert die Güter verkauft und in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts große Teile der desolaten Klosternanlage abgetragen. Erhalten blieb die Kirche und Reste des Kreuzgangs. 1991 begann dann die Restaurierung der Kirche, Kleinmariazell wurde zur Basilika ernannt und die Notwendigkeit nach einem Saal und Büroräumen entstand.
Der Zubau
Auf den teils mittelalterlichen Mauerresten des ehemaligen Klosters wurde daher ein Pfarr- und Pilgersaal als weit gespannte Holz-Konstruktion errichtet. Dieses Netz an Holzbalken ruht auf Sichtbetonstützen, welche die Lasten und Kräfte auf die neue Decke über dem Gewölbe der heutigen Werktagskapelle einleiten. Einer alten Tradition des Handwerks folgend wurde das Holz zu Neumond im Dezember geschlagen und sofort verarbeitet, ohne Trocknung oder Anstrich.
In den alten Räumen wurden, so wie in der restaurierten barocken Kirche, punktuell Erneuerungen und Ergänzungen vorgenommen.
Nach dem Abbruch des ehemaligen Klostergebäudes in den 60-er Jahren blieben nur die Mauern des Kreuzganges und ein Stückwerk
Auf den Mauern des zur Straße zugewandten Gebäudeflügel, welcher von der schützenden Haut des Verputzes befreit und mit einem Schutzdach überdeckt war, baut sich heute ein neues räumliches Gefüge auf. Das architektonische Konzept integriert die alten Baureste, formuliert aber ein neues Ganzes, das als selbstverständlicher Teil neben der Übermacht des Kirchenbaues die profanen Räume der Pfarrgemeinde,wie Büro, Küche und Lager, sowie eine neue Treppe enthält.
So entstand ein in seiner Bauform durchaus der Tradition dieser Gegend entsprechendes Bauwerk, das im Detail und in der Materialwahl sich einer zeitgemäßen Architektursprache bedient. Schnittstellen und Übergänge von historischer Substanz zu neuer sind teilweise deutlich gezeigt, teilweise zu Gunsten eines Ganzen verdeckt. So ist der bewohnbare, warme Gebäudeteil einheitlich neu und glatt verputzt, der kalte Mauerrest des Kreuzganges steinsichtig geblieben. Betonstützen, Glaswände, Stahlbauteile kontrastieren mit Steinmauern und Steinböden. Über allem schwebt ein neues gemeinsames Dach.
Der Vorplatz
Seitens der Pfarrgemeinde war der Wunsch formuliert, einen geschlossenen „Kirchhof“ vor dem Hauptportal zu schaffen. Dieser Bereich, der im Norden vom ehemaligen Gutshof, im Osten von der mächtigen Fassade der Kirche, im Süden von dem neuen Pfarrgebäude umfasst wird, musste im Westen, gegen die Straße zu, abgegrenzt und beruhigt werden; nicht wehrhaft, sondern etwas einsichtig, lediglich abschirmend vom täglichen Trubel sollte diese vierte Seite werden. Als Material wurde Sichtbeton für die neue Wand gewählt, der händisch in mühevoller stundenlanger Arbeit zu einer qualitätvollen Oberfläche veredelt wurde (gestockt).
Drei, die Mauer räumlich fortsetzende Linden begleiten diese Mauer und bieten Schatten an heißen Sommertagen. Vorplatzseitig sind Rosen entlang der Einfriedungsmauer gesetzt. Sie umranken die Mauer und bilden eine dem Marienwallfahrtsort entsprechende Umfassung. Der Boden am Vorplatz besteht aus ruhigen, grauen Granitplatten. Mit einer leichten Gliederung in der Verlegung und einer spärlichen Beleuchtung in der Nacht bildet dies den richtigen Kontrast zur Pracht und Helligkeit des darauffolgenden, barocken Kirchenraumes.
Mitarbeiter
Peter Turner, Gregor Tritthart
Statik
Gmeiner Haferl Tragwerksplanung KEG, Wien
Nutzfläche 700 m²
Bauvolumen netto 1,2 Mill. Euro
Foto
© Pez Hejduk
Gerhard Lindner
Standort
Altenmarkt, Klein Mariazell 1
Bauherr
Erzdiözese Wien